Die zentrale Rolle von Titandioxid in modernen Pharmazeutika

Ob als Farbzusatz oder in der Verpackungsproduktion, Titandioxid spielt im gesamten Lebenszyklus pharmazeutischer Produkte eine essenzielle Rolle.

Zwar ist Titandioxid (TiO2) seit Langem ein wichtiger Inhaltsstoff zahlloser Konsum- und Industrieprodukte, ihre entscheidendste Rolle spielt diese extrem vielseitige Substanz aber wohl im Pharmabereich.

Als reines Mineral erfüllt TiO2 die strengsten Anforderungen der Branche, inklusive der im Europäischen, Japanischen und US-Amerikanischen Arzneibuch definierten Standards.

Was vielen aber nicht bekannt sein dürfte, ist die Tatsache, dass TiO2 hier unter derselben Zusatzstoffnummer (E171) wie in der Lebensmittelbranche geführt wird. Das liegt daran, dass auch Pharmaunternehmen mit der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) herausgegebenen Liste der nach Lebensmittelstandards zulässigen Zusatzstoffe arbeiten.

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Die Wissenschaft hinter TiO2 und Medikamenten

TiO2 erfüllt im gesamten Produktlebenszyklus eine Reihe wichtiger Funktionen. So schützt es andere Inhaltsstoffe und vereinfacht die Erkennung sowie die Einnahme von Präparaten. Das hat die Substanz über ein Jahrhundert hinweg für die Hersteller zu einer unverzichtbaren Zutat werden lassen, wobei Top-Wissenschaftler immer wieder zahlreiche neue Verwendungsmöglichkeiten für das Mineral gefunden haben.

Hier einige wichtige Beispiele:

Pigment

TiO2 kann genutzt werden, um ein möglichst reines Weiß zu erzeugen oder die Leuchtkraft anderer Farben zu verstärken. So lassen sich Präparate von Medizinern und Laien gleichermaßen auf den ersten Blick unterscheiden. Das ist für Patienten mit einer Sehbehinderung sehr wichtig, oder wenn von einem Medikament verschiedene Dosierungen erhältlich sind. So werden beim weit verbreiteten Blutverdünner Warfarin die verschiedenen Dosierungen durch vier Farben unterschieden.

Beschichtungen

In diesem Anwendungsbereich hilft TiO2 als essenzieller Bestandteil der Schutzschicht, die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität der Wirkstoffe zu erhalten und die Haltbarkeit des Produkts zu verlängern. TiO2 schützt zudem auch lichtempfindliche Inhaltsstoffe, die durch sichtbares Licht oder durch UV-Strahlung beeinträchtigt werden könnten.

Verpackungen

TiO2 besitzt die Fähigkeit, Licht zu streuen und UV-Strahlen zu absorbieren. Deshalb wird es auf breiter Basis für Medikamentenverpackungen genutzt, um die Haltbarkeit der Präparate zu verlängern und eine vorzeitige Produktalterung durch Feuchtigkeit, Licht und Wärme zu verhindern. So findet sich Titandioxid in Sichtverpackungen und Blistern ebenso wie in Umverpackungen.

Wo liegen die Probleme bei der Nutzung von TiO2?

Als nicht-toxisches Mineral und Lebensmittelzusatz regelt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Verwendung von E171. Die EFSA erklärte im September 2016, dass die Substanz sicher aufgenommen werden kann und bekräftigte diese Position im Juni 2018. In Frankreich wird aufgrund der Erkenntnisse aus einer Studie an Ratten ein Verbot von E171 erwogen. Allerdings hat selbst die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umwelt und Arbeitsschutz, ANSES, gesagt, dass sich diese Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragen lassen.

Wie groß wären die Auswirkungen eines Verbots oder einer Einschränkung der Nutzung von E171?

Über Jahrzehnte hinweg hat sich TiO2 in seiner Eigenschaft als Farbstoff E171 in der Pharmabranche als überaus sicherer Inhaltsstoff bewährt. Zusätzliche Einschränkungen der Nutzung von TiO2 in Pharmaprodukten hätten signifikante Auswirkungen, da die Formulierungen der überwiegenden Mehrzahl aller auf dem Markt verfügbaren Produkte geändert werden müsste – eine Mammutaufgabe für die Hersteller.

Allein die strengen F&E-Tests würden die Entwicklung extrem langwierig und kostenintensiv machen. Zudem müssten Präparate neu verpackt werden, während abgelaufene oder überschüssige Produkte in dem Fall als Giftmüll zu entsorgen wären. Der schiere Umfang eines solchen Unterfangens hätte mit ziemlicher Sicherheit zur Folge, dass die Hersteller bestimmte Präparate einfach vom Markt nehmen würden. Sogar die Durchsetzung von Ausnahmen wäre teuer.

Sollten in Zukunft tatsächlich Restriktionen greifen und können die Hersteller keine geeigneten Alternativen finden, würde das der gesamten Branche ernste Probleme bereiten. So würde eine Umformulierung in jedem Fall eine Neubewertung und Neuzulassung des jeweiligen Präparats nach sich ziehen, und das ist ein gleichermaßen langwieriger und teurer Prozess. Zudem müssten auch Verpackungen geändert werden, was zu Lasten der Haltbarkeitsdauer gehen dürfte. Vor allem könnte das aber betroffenen Patienten den Zugang zu ihren Präparaten und deren Nutzung erschweren.